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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 31.03.2000
Aktenzeichen: 25 U 2583/99
Rechtsgebiete: RabattG
Vorschriften:
RabattG § 1 | |
RabattG § 2 | |
RabattG § 12 Satz 1 (Getarnter Rabatt) |
2. Dem Anbringen eines kleinen, im Straßenverkehr kaum sichtbaren Aufklebers am Kraftfahrzeug des Kunden kommt in der Regel kein insoweit messbarer Wert der Kundenleistung zu.
Kammergericht, 25. Zivilsenat Urteil vom 31. März 2000 - 25 U 2583/99 -
Geschäftsnummer: 25 U 2583/99 97 O 205/98 Landgericht Berlin
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am: 31. März 2000
In dem Rechtsstreit
hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase, den Richter am Amtsgericht Melchior und den Richter am Kammergericht Dr. Pahl in der mündlichen Verhandlung vom 31. März 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Februar 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 97 O 205/98 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer übersteigt für keine der Parteien 60.000,00 DM.
Tatbestand
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Ihm gehören alle deutschen Industrie- und Handelskammern, die meisten Handwerkskammern und der Deutsche Handwerkskammertag an.
Die Beklagte befasst sich mit der Reparatur von Windschutzscheiben und Autofenstern.
Kunden, die bei der Beklagten eine Windschutzscheibe erneuern lassen, können sich von ihr 300,00 DM auszahlen lassen, falls sie bereit sind, für die Dauer eines Jahres einen kleinen Werbeaufkleber der Beklagten an ihrem Fahrzeug anzubringen. Für dieses Angebot warb die Beklagte unter anderem im "Wochenblatt Lichtenberg" vom 4. Dezember 1997, in der es unter anderem hieß:
"300,00 DM für jeden, der bei uns seine Windschutzscheibe erneuern lässt und dann ein Jahr unseren kleinen Aufkleber auf seinem Auto fährt."
Einen Betrag von 300,00 DM sehen viele Kfz-Kaskoversicherungs-Verträge als Selbstbehalt vor, den der Kfz-Halter übernehmen muss, wenn er seine Versicherung zum Beispiel wegen eines Glasschadens in Anspruch nimmt.
Dem Kläger entstanden durch eine erfolglose Abmahnung der Beklagten Kosten in Höhe von 306,68 DM netto.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Werbung der Beklagten verstoße gegen § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens und außerdem gegen das Rabattgesetz. Die Zahlung von 300,00 DM erhalte ein Kunde nicht dafür, dass er den Werbeaufkleber der Beklagten anbringen lasse, sondern für seine Entscheidung, der Beklagten einen Reparaturauftrag zu erteilen.
Der Kläger hat beantragt,
1. der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, mit der oben zitierten Annonce für sich zu werben und/oder ankündigungsgemäß zu verfahren,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 315,65 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. November 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten Berufung hat die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
unter Aufhebung des landgerichtlichen Urteils vom 1. Februar 1999 die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise dieselbe zurückzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte hält die Berufung bereits für unzulässig, da die Beklagte keine Berufungsgründe im Sinne des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO angegeben habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung ist zulässig.
Die Beklagte kam ihrer Begründungspflicht gemäß § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nach. Die Berufungsbegründung muss sich nicht notwendigerweise auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel stützen. Es genügt auch, die bereits in der ersten Instanz bemühten Argumente zu wiederholen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl., § 519 Rdn. 21). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Ausführungen des Landgerichts keine wesentlich neuen Gesichtspunkte in den Rechtsstreit eingeführt haben.
B. Die Berufung ist aber unbegründet.
Der Kläger kann sowohl aus § 1 UWG als auch aus § 12 Satz 1 RabattG von der Klägerin verlangen, das streitgegenständliche Angebot nicht mehr auszusprechen sowie darauf gerichtete Werbung zu unterlassen.
I. Der Kläger ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, § 12 Satz 2 RabattG zur Klage befugt. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht im Streit.
II. Die Beklagte bietet ihren Kunden einen Rabatt an, der nach §§ 1, 2 RabattG nicht zulässig ist.
1. Das Rabattgesetz ist als geltendes Recht anzuwenden.
a) Ohne Bedeutung ist es, dass das RabattG bereits 1933 in Kraft getreten ist. Es gilt als Recht der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 123 Abs. 1 GG fort. Es widerspricht der Werteordnung des Grundgesetzes nicht.
Der Gesetzgeber hatte bei der Einführung des RabattG vor allem den Schutz des mittelständigen Gewerbes, vor allem des Einzelhandels, im Blick (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., vor § 1 RabattG Rdn. 5). Dieser Gedanke ist auch der heutigen Gesetzgebung nicht fremd. Das Rabattgesetz unterstützt zudem einen Preisvergleich durch den Verbraucher ohne langwierige und mühevolle vorhergehende Preisverhandlungen.
b) Auch mit dem Recht der Europäischen Union kollidiert das Rabattgesetz nicht.
Die bloße Tendenz des Europäischen Wettbewerbsrechts, grundsätzlich liberale Maßstäbe an Wettbewerbshandlungen anzulegen, ist insoweit bedeutungslos. Es bleibt derzeit dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, das Rabattgesetz in Kraft zu belassen oder außer Kraft zu setzen. Er hat von letzterer Möglichkeit bisher keinen Gebrauch gemacht.
2. Das Angebot der Beklagten, ihren Kunden 300,00 DM zu zahlen, sofern sie einen Aufkleber der Beklagten an ihrem Fahrzeug anbringen lassen, ist als Rabattgewährung im Sinne von § 1 RabattG anzusehen.
a) Ob mit einem vorteilhaften Angebot gleichzeitig ein Rabatt gewährt wird, entscheidet die Verkehrsauffassung (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 RabattG, Rdn. 19 m.w.N.).
Über die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise kann das erkennende Gericht die maßgebliche Feststellung treffen, da es ihm angehört.
Als Rabatt wird nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 Rabattgesetz eine Preisdifferenz verstanden, die der Anbieter einer Ware oder Dienstleistung von einem angekündigten oder allgemein geforderten Normalpreis nachlässt. Der Normal- oder Allgemeinpreis muss nicht ausdrücklich genannt oder dem Publikum genau bekannt sein. Entscheidend ist die Benennung der Differenz. Diese Differenz kann in prozentualen Abschlägen oder auch in absoluten Werten ausgewiesen sein. Wenn also den Betrachtern eines Preisangebotes der Eindruck entsteht, sie würden für eine bestimmte Leistung einen geringeren Preis bezahlen müssen als bei dem Anbieter sonst üblich, liegt eine Rabattgewährung vor.
Der Preisnachlass kann auch in der Form von Zahlungen bestehen, die der Kunde für eine Gegenleistung erhält (OLG Frankfurt/M., NJW-RR 1991, 938). In diesem Fall berechnet sich der Rabatt aus der Differenz der Zahlung zum tatsächlichen, marktüblichen Wert der Gegenleistung (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 40).
b) Der flüchtige wie der verständige Betrachter geht nach dem Angebot der Beklagten davon aus, dass ihm ein Preisnachlass gewährt wird. Die Kunden der Beklagten erhalten die Zuzahlung ohne eine wirkliche Gegenleistung. Sie schließen mit der Beklagten gerade keinen Vertrag "sui generis", wie von ihr vorgetragen. Die Kunden der Beklagten erhalten eine Zuzahlung von 300,00 DM, wenn sie einen Werbeaufkleber an ihrem Fahrzeug anbringen lassen. Nach der Verkehrsanschauung besitzt diese Leistung jedoch keinen messbaren Marktwert. Die Vermietung von Werbeflächen an Kraftfahrzeugen, die dann im Straßenverkehr als rollende Werbetafeln unterwegs sind, mag eine verbreitete Werbeidee sein. Nur bei entsprechender Größe sind diese Werbeflächen aber werbewirksam. Ein kleiner, im Straßenverkehr kaum sichtbarer Aufkleber, der seinen Inhalt nur bei näherer Betrachtung offenbart, ist als Werbefläche so gut wie wertlos. Kein verständiger Gewerbetreibender würde für eine derartige, miniaturisierte Werbefläche einen Mietzins anbieten und nicht anders verstehen es die hier umworbenen Verkehrskreise. Die Fortdauer der Werbung wird auch nicht etwa durch rechtliche Vereinbarungen kontrolliert.
Für einen verdeckten Rabatt spricht zudem die Tatsache, dass die Beklagte die Zuzahlung nicht isoliert, sondern nur dann gewährt, wenn ein Kfz-Halter ihr einen Reparaturauftrag erteilt. Dies ergibt sich bereits aus dem Werbetext der streitgegenständlichen Annonce.
Die Zuzahlung stellt sich mithin als Preisnachlass im Sinne von § 1 Rabattgesetz dar, nämlich als Ermäßigung in Höhe von 300,00 DM gegenüber dem Normalpreis, den die Beklagte üblicherweise als Werklohn für die Reparatur von Windschutzscheiben fordert.
3. Der durch die Beklagte gewährte Rabatt übersteigt das nach § 2 Rabattgesetz erlaubte Maß.
Erlaubt wird ein Rabatt in Höhe von maximal 3 % des Normalpreises. Das Angebot der Beklagten übersteigt diese Grenze. Den Normalpreis weist das Angebot der Beklagten nicht aus. Der Normalpreis müsste aber 10.000,00 DM betragen, damit ein Preisnachlass von 300,00 DM noch als 3%iger Rabatt nach § 2 RabattG zulässig wäre. Die Beklagte selbst geht in ihrem Rechenexempel von Reparaturkosten in Höhe von 900,00 DM aus.
4. Einen Ausnahmetatbestand, etwa im Sinne des § 9 RabattG, hat die Beklagte weder dargetan noch nachgewiesen. Für § 9 Ziffer 1 RabattG fehlt es schon an der beruflichen oder gewerblichen Verwertung der Leistung der Beklagten.
5. Soweit sich die Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Werbung für Handys zu einem Preis von 1,00 DM oder weniger berufen will (insbesondere BGH, GRUR 1999, 261; 264; WRP 1999, 505; 509; 512; 517), ist diese hier nicht einschlägig. Vorliegend kann nicht von einer dem Handy und dem Netzzugang vergleichbaren Funktionseinheit von Glasreparatur und Werbebetrag ausgegangen werden.
6. Die Werbung der Beklagten stellt sich auch nicht als eine gerechtfertigte Reaktion auf ein gleichartiges Verhalten ihrer Konkurrentin dar.
Die von der Beklagten benannte Konkurrenz bietet keine Rabatte an, sondern die Versicherungsgesellschaften gewähren ihren Versicherungsnehmern versicherungsrechtliche Vorteile. Wenn dies wettbewerbs- oder kartellrechtlich unzulässig sein sollte, so steht es der Beklagten frei, hiergegen gerichtlich vorzugehen. Es ist ihr aber nicht erlaubt, selbst wettbewerbswidrig zu reagieren.
III. Unter den vorstehenden Umständen kann es hier dahingestellt bleiben, ob das Rabattangebot der Beklagten (als Verstoß gegen § 12 Abs. 1 RabattG) auch noch nach § 1 UWG sittenwidrig ist, weil ein übertriebenes Anlocken von Kunden vorliegt. Die anlockende Wirkung geht hier an sich nicht über die eines verbotenen Rabattes hinaus.
IV. Es liegt ein Verstoß gegen § 1 UWG jedenfalls deshalb vor, weil dem Verbraucher Hilfe bei einer unerlaubten Handlung gegenüber den Versicherern angeboten wird. Der Verbraucher versteht das Angebot der Beklagten (mangels Wert der Werbeleistung aus dem Aufkleber) als bloße Tarnung für eine zu Lasten des Kasko-Versicherers um 300,00 DM überhöhte Reparaturpreisrechnung (so schon OLG Celle, Urteil vom 24. März 1999, Aktenzeichen 13 U 157/98).
C. Der Kläger kann von der Beklagten aus § 1 UWG die Zahlung von 315,65 DM verlangen.
Der Anspruch ist dem Grunde wie der Höhe nach gegeben. Die Kosten einer berechtigten Abmahnung sind aus §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB ersatzfähig, auch wenn die abmahnende Partei später einen Rechtsstreit wegen des Unterlassungsanspruchs beginnt (BGHZ 52, 393, 399 f.; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Einl., UWG, Rdn. 554 m.w.N.). Der Kläger mahnte die Beklagte zu Recht ab. Die Beklagte ist dem Vortrag des Klägers zu den Abmahnkosten nicht entgegengetreten, sodass auch die Höhe des Anspruchs als unstreitig anzuordnen ist.
D. Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 284, 286, 288, 291 BGB.
E. Die Nebenentscheidungen zu den Kosten, zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Wertfestsetzung beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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